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Kons.Dir. Karlheinz Sandner:

Die Dichterinnen und Dichter
des Leopold-Wandl-Wettbewerbes

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Rede anlässlich des
15. Leopold-Wandl-Mundartdichter-Wettbewerbes 2008 im Stadttheater Grein


Kons.Dir.Karlheinz Sandner
Obmann des Stelzhamerbundes
von 2006–2009


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Artikel zu Franz Stelzhamer


Meine Damen und Herrn, es is zan Reahrn, wei min Zug aus Wean wird’s späder wern!„
So vernahm man einmal in den 80iger –Jahren zu nächtlicher Stunde eine lustige, etwas alkoholschwangere Ansage auf dem Linzer Bahnhof. Reimen begegnen wir irgendwo fast jeden Tag, in der Werbung, um mehr Aufmerksamkaeit zu erlangen, in Liedern oder in der Zeitung:
Ist es nicht wunderbar, Mandy ist nun 40 Jahr! Alles Gute, deine Nachbarn!

Vergiss nicht, auch an dich zu denken und dir selber etwas mehr Zeit zu schenken!“

Auch LH Pühringer versuchte sich als Reimer auf einem Fest der Volkskultur mit:
Vü Kinder san a Glück für Leit und für Land, drum führ ich gern weder OÖ. mit ruhiger Hand.“

Auch im Wahlkampf wird in Reimen gerühmt:
Mit klarem Wort und offnem Blick macht er die beste Politik!“

Dazu meint Ali Grasböck heute in den ON: „Außerdem sind sie eine Abwechslung zu dem ungereimten Zeug, das der Wahlkampf mit sich bringt“.

Ich wollte mit den paar Beispielen nur aufzeigen, dass die Menschen immer und überall gerne reimen, aber auch gerne hören ( fängt bei Kinderreimen an ).

Reimer sind noch keine Dichter. Aber es kann beim Reimen beginnen, vor allem wenn sich dabei eine dichterische Ader zeigt. Deshalb möchte ich heute jene Menschen in den Vordergrund stellen, bei denen dies der Fall ist und deretwegen wir heute in Grein sind. Ich möchte einfach über die „Dichterinnen und Dichter des Leopold-Wandl-Wettbewerbes“ reden.

1. Stufe: Mit sinnvollen Anlassgedichten, dem gereimten Wiedergeben von diversen Ereignissen, Lebensläufen, dabei oft persönl. Schwächen humorvoll aufzeigend etc., beginnt oft die Karriere mancher Dichterinnen oder Dichter. Sie sind eine Bereicherung bei Feiern im Freundeskreis, in Familie, Festen in der Pfarre, in der Gemeinde.

Anlassdichter sind in allen sozialen Schichten zu finden: Da reimt der Straßenkehrer, die Bäurin, der Arbeiter bis hin zum Professor. Sie können sich oft der Auftragsarbeiten nicht erwehren und sie erlangen oft besondere Stellung im Dorf, in der Gemeinde. Warum? Sie versuchen, mit unserem höchsten Kulturgut, der Sprache, etwas Besonderes zu gestalten. Vielen gelingt es, dabei Anerkennung zu finden, über Familie, Gemeinde, ….hinaus.

2. Stufe: Viele wagen sich – oder folgen einem inneren Drang – über Anlassgedichte hinaus, verarbeiten ihre eigenen Gedanken, Gefühle, oft wenn es besondere Anlässe ( Geburt, Heirat, Tod) gibt. Das kommt schon dem eigentlichen Wort „Dichtung“ nahe. Dabei schreiben sie nieder, was was die Augen sehen, Ohren hören, das Herz fühlt. Und das in der Sprache des Herzens, der Mundart.

Martina Eder beschreibt dies so:
Weil`s außa muaß, was mih druckt ,
was mih gfreit und sei`s über d´ Leit,

über mih, über d´ Liab.
Über d` Enkerl de kloan,
was d´ Viacha alls toan

und sei`s über `s Weder-
ih schreib halt alls nieder.


Dr. Nenning drückt es so aus:
Dichten heißt nicht, etwas Tolles erfinden; Dichter ist, wer heraufholt, was in der Tiefe ist!“

Oft ist Schreiben ein Ventil der Seele, eine Art Entsorgung!
Hier kommt es nicht unbedingt auf die Kriterien eines guten Gedichtes an, vor allem, wenn Dramatisches ausgedrückt wird:

Olga Habe (gest.1998):
„Hiaz nu ned! Ich wü ned zu dir umigehn, / ich geh mit dir ned mit. / Bleib stad, wosd bist und kim ned her, / sunst gib ich dir an Tritt! / Du hast scho so an grausli´´n Gruh, / vo Moder und Vaderm. / Nana, ich geh mit dir ned mit, / ich wü hiaz nu ned sterbm!

Oft begegne ich sogenannten unbekannten, „kleinen Dichtern“, die aber groß in ihren Gedanken sind:
Maria Hablesreiter: „Oft amoi moanst, wia gscheid daßd grad bist, und aft fallst doh auf dNasn. Aber ah wannsd auf dNasdn fallst, fallst oiwei vüre!“

Die Mundartdichter sind Unterhalter, Mahner, Kritiker, ... Chronisten, Schilderer der Natur, Landschaftsmaler. Ich schätze diese Leute sehr, denn wir wissen nicht, welchen Stellenwert diese Texte vielleicht in 100 Jahren haben werden. Aber es überwiegt doch meist der Humor, auch „alte Meister“ wie Hönig, Krempl, Wandl sind noch sehr geschätzt.

Immer aber gelten Christian Morgensterns Worte: „Wie ist doch jede – aber auch jede – Sprache schön, wenn in ihr nicht geschwätzt, sondern gesagt wird.“

3. Stufe: Oberstes Ziel soll aber das poesie- und phantasievolle Gedicht sein, mit den Merkmalen des Dichterischen: der Sprache als ein Spiegelbild des Geistigen, der Wertwelt, in die sie eingebettet ist, der Stilschicht, von der sie getragen wird und der Lebendigkeit, Bildhaftigkeit, Kürze, Klarheit und Wahrhaftigkeit, die ihr die wünschenswerte innere Kraft geben, das dem „Dichten = Verdichten“ entspricht. Es soll viel zum Nachdenken rundum bleiben. In Büchern heißt das: Viel weiß und wenig schwarz!

Z.B. wie bei Lydia Neunhäuserer in Advent: ankemma // oba zerst amoi // weggeh!

Dabei bietet sich den Dichtern ein breites Feld an Möglichkeiten: gereimt, ungereimt, in Versen ( vom Jambus über Daktylus bis zum Hexameter )..oder freie Formen. Hier einseitig zu sein, ist wie bei einem Fußballer, der nur mit einem Fuß schießen kann. Oder wie es Josef Viktor Stummer sagt:
Aber wer sich als Dichter fühlt, der muss denn doch das Handwerkliche der Verskunst betreffenden Dingen Bescheid wissen, gleichwie ein Maler es gelernt haben muss, mit seinen Farben richtig umzugehen“.

In dieser höchsten Stufe gibt es in der Vergangenheit wie in der Gegenwart große Meister:
z..B. wie wir es bei Josef Kettl in „Zwischn Wegspringa und Aufkemma“ erleben:
Allmal wieder: Meine Tram glosn wia gelbe Sterndl am Roan.
Da letzte Hahnenfuaß blüaht auf. A fester Wind rührt um in dürre Blattl.
Zruckausschaun leidts nu net: Na, vornhi liegt der Weg schon am Nebel.
Zruckaus iss nimmer weit.

Für viele ist das Ziel das eigene Buch, mit dem man Spuren hinterlassen kann. Dazu gehört viel Mut. Manchmal ist dabei Selbstüberschätzung zu beobachten. Es gilt auch hier: „Sowie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, macht ein Buch noch keinen großen Dichter!“ Auch nicht aus einem schlechten oder mittelmäßigen einen guten! Ich bewundere jene, die warten können, bis der Apfel vom Baum fällt, die warten können, bis sie selbst als Dichter und damit ihre Gedichte gereift sind. Die meisten Dichterinnen und Dichter publizieren im Selbstverlag und nehmen damit große finanzielle Lasten auf sich, die abgebaut werden müssen und nicht selten psychische Belastung sind. Denn Verlage sind für Lyriker schwer zu finden. Es ist auch zu beobachten, dass sich, vor allem kleine Verlage, keine Lektoren mehr leisten (können). Dadurch ist die Qualität des Geschriebenen in Gefahr.

Zahlreiche Schreibwerkstätten bringen frischen Wind in die Mundartliteratur, wie ‚neue mundart’, Promotheus, Promente. Sie alle sind bestrebt, das dichterische Niveau zu heben.Der Stelzhamerbund schuf die Dichterschule Dr. Gottfried Glechner. Dort sollen aber keine Zwangsbeglückungen erfolgen. Die schönsten Blüten wachsen oft im Verborgenen.

Der Verlust der Eigenständigkeit beginnt mit dem Verlust der Sprache. Es verschwinden nicht nur Begriffe, sondern auch das Bewusstsein, etwas besonderes zu besitzen, das wert ist, gebraucht und nicht nur gepflegt zu werden, und somit erhalten zu bleiben“.

Es ist nicht vermessen, dass auch Mundartdichterinnen- und dichter sehr wesentlich dazu beitragen, dem entgegenzuwirken. Das braucht aber nicht nur dichterisches Talent und deren Förderung, auch Impulse, Motivation, Ansporn. Dem dient auch dieser Wettbewerb in Grein!

Heute können wir sagen: „Ist es nicht wunderbar, der Wandl-Wettbewerb besteht nun das 15. Jahr!“

Dieses kleine Jubiläum möchte ich zum Anlass nehmen, dem Organisationskomitee herzlich zu gratulieren und im Namen der vielen, denen der Leopold Wandl-Wettbewerb Freude bereitete, – auch im Namen des OÖ. Forum Volkskultur - zu danken.

Hans Ratzesberger war mit „´s Mittlmaß“ 1. Sieger im Jahre 1989, wo er sagte:
Redst vül – redst vül Bledsinn // redst nix, dann is´s zweng; // es is gar net so leicht, // wann ih´s richtig bedenk.“

Ich hoffe, ich habe das Mittelmaß erwischt, aber trotzdem gestatten Sie mir bitte noch mit Worten, die das Mittelmaß sicherlich übersteigen, zu enden. Mit einigen Gedanken Adalbert Stifters aus dem „Nachsommer“ über die Dichtung:
Ich habe im Verlauf meines Lebens gelernt, dass die Dichter, wenn sie es im rechten Sinne sind, zu den größten Wohltätern der Menschheit zu rechnen sind. Sie sind die Priester des Schönen und vermitteln als solche bei dem steten Wechsel der Ansichten über Welt, über Menschenbestimmung, über Menschenschicksal und selbst über göttliche Dinge das ewig Dauernde in uns und das allzeit Beglückende. Sie geben es uns im Gewande des Reizes, der nicht altert, der sich einfach hinstellt und nicht richten und verurteilen will.

Und wenn auch alle Künste dieses Göttliche in der holden Gestalt bringen, so sind sie an einen Stoff gebunden, der diese Gestalt vermitteln muss: die Musik an den Ton und Klang, die Malerei an die Linien und die Farbe, die Bildnerkunst an den Stein, das Metall und dergleichen, die Baukunst an die großen Massen irdischer Bestandteile, sie müssen mehr oder minder mit diesem Stoff ringen.

Nur die Dichtkunst hat beinahe gar keinen Stoff mehr, ihr Stoff ist der Gedanke in seiner weitesten Bedeutung, das Wort ist nicht der Stoff, es ist nur der Träger des Gedankens, wie etwa die Luft den Klang an unser Ohr führt.

Die Dichtkunst ist daher die reinste und höchste unter den Künsten.
Ich wünsche Ihnen, den Dichterinnen und Dichtern des Wandl-Wettbewerbs 2008, dass Ihnen viel im Sinne Adalbert Stifters gelungen ist und in Zukunft noch gelingen möge und Ihnen, geschätzte Zuhörerinnen und Zuhörer viel Vergnügen und Erbauung in der nächsten Stunde.

Karlheinz Sandner

Obmann des Stelzhamerbundes
Vizepräsident des OÖ.Forum Volkskultur

Rede anlässlich des 15. Leopold-Wandl-Mundartdichter-Wettbewerbes 2008 im Stadttheater Grein