Arbeiten über Adalbert Stifter von Otto Jungmair |
Festrede, gehalten am 10. April 1969 im Rahmen einer Feierstunde
des Stelzhamerbundes im Festsaal der Handelskammer zu Linz.
Erschienen in: Vierteljahresschrift. Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oö.
XIX, Folge 1/2, Linz 1970, S, 5-10.
Wenn ein Mensch in voller geistiger Frische und Schaffenskraft
seinen 80. Geburtstag feiern kann, so ist dies allein schon
eine große Gnade. Es stünde ihm zu, nach einem so arbeitsreichen
Leben seine Tage der Rückschau zu widmen auf das, was
ihm das Schicksal angetan und was das Leben eingebracht
hat. Professor Otto Jungmair, den wir heute ehren und dem
wir auch Dank sagen wollen für alles, was er für seine Heimat
getan hat, denkt nicht daran, die Hände in den Schoß zu
legen. Er arbeitet mit unvermindertem Eifer weiter, und es
ist nicht das kleinste seiner Werke, das er soeben vollendet.
Es gilt heute, den Menschen, den Künstler und den Wissenschafter
Jungmair darzustellen, so wie das eine in das andere übergreift
und wie es einander bedingt.
Unser Jubilar wurde am 6. April 1889 in Molln im Steyrtal
geboren. Sein Vater war Oberförster beim Grafen Lamberg,
dessen Herrschaftsverwaltung in Steyr lag. Es war eine
gastliche Stätte, dieses Forsthaus zu Molln, und der
aufgeweckte Knabe kam in dem befriedeten Elternhaus
frühzeitig mit den Musen in Berührung. Sein Großonkel
war der bekannte Mundartdichter Rudolf Jungmair, dessen
Werke in drei Bänden gedruckt vorliegen. Als Statthalterei-
beamter in Vöcklabruck, wo dieser im Rahmen eines
musischen Kreises seine Dichtungen vortrug, kam Rudolf
Jungmair auch mit Franz Stelzhamer und sogar mit Adalbert
Stifter zusammen. So wurden allein schon durch die
Verwandtschaft erste Fäden späterer Geistigkeit in
Dichtung und Forschung gesponnen.
Dieser Rudolf Jungmair war eng befreundet mit dem
Traunviertler Mundartdichter Anton Schosser, der als Geometer
in der Bergwelt um den Traunsee Vermessungen
durchführte. Der Arzt und Mundartdichter Josef Moser aus
Klaus war häufig ein gern gesehener Gast im Vaterhause
unseres Jubilars. Schon als Volksschüler las Otto Jungmair
die damals erschienenen Mundartbände„Aus der Hoamat”
mit größtem Eifer. Dieses Sammelwerk vereinigte die
Dichtungen der Großen unserer Mundartkünstler. Was
Wunder, dass der empfängliche Junge schon bald auch
selbst zu eigenen Dichtungen angeregt wurde.
Es war eine reiche, glückliche Kindheit an der Seite von sechs
Geschwistem mit einem patriarchalischen, aber grundgütigen
Vater und einer Mutter, die Jungmair selbst mit der Mutter
Stifters vergleicht, von der dieser sagt:„Meine herrliche Mutter,
ein unergründlicher See von Liebe, hat den Sonnenschein ihres
Herzens über manchen Teil meiner Schriften geworfen.”
Zu dem musischen Umgang in der elterlichen und verwandtschaftlichen
Umgebung kam das große Naturerlebnis im Kreise der Forstleute,
der Jäger und der Bauern, an deren Seite er in täglichem
Verkehr die Wälder, Berge, Felder und den noch
ursprünglichen Reichtum der Natur seiner schönen
Heimat kennen und lieben lernte. Den Menschen seiner
Heimat schaute er dabei fest auf den Mund und tief in die
Seele. Er lernte die„Sinnierer kennen mit ihrer bäuerlichen
Lebensweisheit und Naturfrömmigkeit”, wie er sie später oft
in seinen Dichtungen schilderte.
Hervorragende Lehrer an der Mittelschule in Steyr taten
das ihre zur Vertiefung des Wissens, zur Erweiterung des
Gesichtskreises, zur Ordnung im Denken. Seinem Steyrer
Deutschlehrer verdankt Jungmair die Liebe zum Mittelhochdeutschen,
die ihn nie mehr verließ und die in den späteren Nachdichtungen
ihren reichen künstlerischen Niederschlag fand. Auch sein
Lehrer in den realen Fächern, Gregor Goldbacher, lebt als
Heimatforscher und Dichter in der oberösterreichischen
Mundartdichtung fort.
Jungmair kam später im Steyrer Volksbildungsverein, dem
sein Vater vorstand, auch mit dem Mundartdichter Franz
Honig, der in Kremsmünster als Bürgermeister und Kupferschmied
wirkte, in Verbindung.
Eine Böhmerwaldwanderung erweckte schon in dem jungen
Realschüler die Liebe zu Stifters Heimat und zu dem
Dichter selbst. Am 26. August 1906 fand auf dem Gutwasserberg
in Oberplan die Enthüllung des Stifter-Denkmales
statt, bei der der berühmte Prager Germanist August Sauer
die Gedenkrede hielt. Dabei fand die erste Begegnung
Jungmairs mit dem Stifterbiographen Alois Raimund Hein
aus Wien statt. Der 17-jährige Jungmair ahnte damals aber
noch nicht, dass er Heins Stifter-Biographie mehr als vier
Jahrzehnte später in einer zweiten Auflage erweitern, erläutern
und auf den neuesten Stand der Forschung bringen
sollte.
Es ist unmöglich, heute in diesem Rahmen alle Bekanntschaften,
Freundschaften und Verbindungen mit Männern
des Geistes und mit Institutionen aufzuzählen, die Jungmair
in seiner großen Aufgeschlossenheit nach seiner Matura in
Steyr und später anknüpfte, verwertete und denen er selbst
sein bereits reiches Wissen weitergab. So wollen wir zunächst
in der Folge versuchen, das weite Feld seiner Leistungen
auf den Gebieten der Mundart- und der hochdeutschen
Dichtung, der Stifter-, der volks- und heimatkundlichen
Forschung und der umfassenden Tätigkeit als Kulturschriftsteller
abzustecken, um es in gestraffter Form wenigstens
einigermaßen in den Griff zu bekommen.
Hatte Jungmair schon als Volksschüler das erste Schöpferglück
ausgekostet, als sein hochdeutsches Gedicht„Vögleins
Bitte”, von dem Komponisten Josef Brauneis vertont,
in der Mollner Volksschule gesungen wurde, so durfte er
als Schüler der sechsten Klasse der Realschule in Steyr in
den Münchener„Meggendorfer Fliegenden Blättern” sein
erstes gedrucktes Gedicht sehen, dessen beträchtliches
Honorar ihm eine Ferienwanderung zum Bodensee und
durch Hegau und Schwarzwald ermöglichte.
Volle neun Jahre war Jungmair als Bankbeamter in Steyr
tätig. Es war eine Zeit, in der er außerdienstlich eine reiche
Tätigkeit, vor allem auf dem Gebiete der Volksbildung und
Schutzvereinstätigkeit, weit über Steyr hinaus, entfaltete. In
Steyr selbst leitete er mit wachsendem Erfolg eine große
Volksbücherei und baute darin eine Arbeiter- und Jugendbücherei
aus.
Hatte er mit Peter Rosegger in der Aktion zur Unterstützung
deutscher Schulen in gemischtsprachigen Gebieten
schon einen Briefwechsel gepflogen, so lernte er den
Dichter der grünen Mark in Steyr anlässlich einer von ihm
vermittelten Lesung auch persönlich kennen. Diese rege
Verbindung hielt bis zum Tode Roseggers an.
Schon im Jahre 1910 war Jungmair in dem Sammelband
„Hoamatgsang” unüberhörbar als Dichter eigener Prägung
hervorgetreten. Durch den Kreis um Rosegger kam es zu
freundschaftlichen Verbindungen mit dem Dichter Franz
Keim und dem Priesterdichter Ottokar Kernstock. Er wurde
so auch ständiger Mitarbeiter der später von Hans Ludwig
Rosegger, dem Sohn des Dichters, geleiteten Zeitschrift
„Heimgarten”; seine Arbeiten finden wir aber auch
schon in den„Alpenländischen Monatsheften” in Graz und
im„Getreuen Eckhart” in Wien.
Nach dem Ersten Weltkrieg wirkte Jungmair als Bankbeamter
in Linz. Hier gab es Begegnungen in Fülle, vor allem aber
mit dem Dichter Paul Ernst, der ihm sein„Kaiserbuch”
widmete.
Die Arbeit im Dienste des Nächsten entspricht Jungmairs
Wesen, das schon im heimatlichen Forsthaus, später im
Elternhaus in Steyr, wohin der Vater in eine leitende
Stellung versetzt worden war, geprägt wurde.
Es ist nicht von ungefähr, dass Jungmair so frühzeitig zu
Stifter fand und zu Rosegger. Was ihn an beiden ansprach
und einen inneren Gleichklang herstellte, kann in zwei
Aussprüchen der beiden Dichter charakterisiert werden.
Rosegger schrieb einmal:„Aller Weisheit höchste ist die
Güte!”, und Stifter sagte in einem Brief:„Reichtum, Ansehen,
Macht, alles ist unbedeutend und nichtig gegen die
Größe des Herzens. Das Herz allein ist das einzige
Kleinod auf der Welt!”
In Linz wirkte Jungmair in gleicher Weise weiter. Im
„Volksboten”, dem Organ des oberösterreichischen
Volksbildungsvereines, erschienen von ihm zahlreiche
volkskundliche und kunstgeschichtliche Beiträge. Hier
konnte er auch die Ergebnisse seiner Forschung über
Anton von Spaun, den Begründer der oberösterreichischen
Volks- und Heimatkunde, publizieren. Seine„Hoamatmess”
wurde hier zum ersten Male gedruckt. Jungmair, dem stets
Gütigen, der nie geheischt, nie gefordert, sondern immer
nur gegeben hat, blieben Schicksalsschläge nicht erspart.
Als Soldat des Ersten Weltkrieges schwer erkrankt, entging
er nur wie durch ein Wunder dem Tode. In den Dreißigerjahren
musste er auch das Gespenst der Arbeitslosigkeit kennen lernen.
In dem Sog der politischen Ereignisse gab es Verdächtigungen
gegen ihn mit Polizeihaft. 1938 erwies sich alles als haltlos.
Aber er wanderte auch 1939 ins KZ. Nach einem Jahr
Sachsenhausen hatte er 50 kg seines Körpergewichtes
verloren. Aber nicht genug damit. Er musste noch zusätzlich
zwei Jahre in Dachau verbringen. Nach einer bedingten
Haftentlassung, der Liebe und Obhut seiner Gattin übergeben,
war eine seelische und körperliche Genesung möglich.
Aber noch einmal wurde er samt seiner Frau, die all seine
Leiden geduldig mittrug, die sein Denken und sein Tun von
Anbeginn verfolgt hatte und helfend bei seinen Arbeiten zur
Seite gestanden war, schwer geprüft. Im Jahre 1943 nahm
ihm der Tod innerhalb einer Woche die beiden Kinder. Es
gehört zum Wesen unseres Jubilars als Mensch und Dichter,
dass er in allem nur das Gute sieht. Selbst in seiner Verzweiflung
um den Tod der Kinder begehrt er nicht auf gegen
Gott und die Welt, sondern er legt seinen Schmerz in ein
ergreifendes Gedicht:
Dös hätst net toan solln, Himmövadá
Was brichst in Mai schan’s junge Lebm
und hast eahn wiar ä guatä Vadä
Doh so vül Gabm fürs Lebm mitgebm!
Mein oanzigá Bua, so zukunftfreudi,
Mein blüahfrisch’s Dirnderl, liab und fein,
Do warn für d’ Amt doh nuh net zeidi
Sag, Vadá, hat das müaßn sein?
Du hast wia mit an’ schwár’n Hammer,
Der Eisn z’mült, äfs Herz hergschlagn,
Daß ih net dengá kan voar Jammer
Und wia betäubt net fragn und klagn.
Oft schau ih zruck mein Wanderstraßn:
Vü(l) Not und Load, weng Glück und Segn
Doh han ih gleih van’ Glück válassn
Da olleweil nuh„Ja” sagn mögn.
Doh hiazt dástickt mih frei da Hadá :
Schau her áf mih -: olls kalt und láá(r)
Dös hátst net toan solln, Himmövadá,
Hiazt wird má’s„Ja” sagn bitterschwá(r)!
Nach dem Zusammenbruch gab es für Jungmair keinen
Gedanken an Hass und Vergeltung. Das Schicksal hatte
schwer mit ihm gehaust, aber die Wunden der Zeit sind mit
seinem Zutun und durch seine Güte vernarbt. Unverdrossen
wandte er sich nunmehr der Arbeit zu, und jetzt kam
seine große Zeit des Sammelns, des Ordnens und Zusammentragens,
aber auch des Neu-Schöpferischen. Freilich,
es war nicht ein Rausch der Freiheit, dem er sich hingeben
konnte. Eine selbst den bescheidensten Bedürfnissen ungenügende
Wohnung erwies sich als neuer Hemmschuh. In
der kleinen Küche, die als einziger Raum seiner Wohnung
bei der damaligen Kriegsnot geheizt werden konnte, arbeitete
Jungmair an dem umfassenden Werk„Wörterbuch der
oberösterreichischen Mundarten”. Durch seine intensiven
privaten germanistischen und volkskundlichen Studien, an
den Vorbildern Grimm, Weinhold, Rieht und Geramb gereift,
war es ihm möglich gewesen, in der Zeit der Arbeitslosigkeit
reiche Früchte einzubringen.
Wenn wir uns der Würdigung seines dichterischen Werkes
zuwenden, so wollen wir mit der Mundartdichtung beginnen,
in die sein Wort von Kindheit an organisch hineingewachsen
ist. Es ist eine echte Dichtung. Seine Fügungen
werden nicht, wie es vielfach geschieht, hochdeutsch gedacht
und in die Mundart übersetzt, er denkt und fühlt vielmehr
in der Mundart und findet daher das gemäße Wort.
„D’ Hoamatmess”. Ein ungewöhnliches Unternehmen, ein
Messeliedtext in Mundart! Am 18. Mai 1930 wurde sie
unter der Stabführung Franz Neuhofers, der sie vertont
hatte, bei der„Riedmark-Feier” auf Schloss Riedegg erstmalig
aufgeführt. Sie erlebte weitere glanzvolle Aufführungen,
darunter auch im Beethoven-Saal der Wiener Hofburg im
Beisein des Bundespräsidenten und hoher geistlicher
Würdenträger, bis sie Bischof Fließer von Linz im Jahre
1936 auch für ländliche liturgische Aufführungen freigab.
1953 erscheint eine Gedichtsammlung unter dem Titel
„Stoan und Stern”. Die Berufensten bescheinigen hier wie
dort echtes Dichtertum,„Volkstümliche Ausdrucks-,
Denk- und Fühlweise, ... Reichtum an Gemüt und Wärme
des Empfindens und Reichtum an künstlerischen Formen”
(Enzinger).*
Elf Legenden als Verserzählungen brachte Jungmair 1954
unter dem Titel„Legenden in oberösterreichischer Mundart”
heraus. Hier erweist sich der Dichter als Pionier in der
Behandlung religiöser Stoffe durch die Mundart, Es ist eine
hohe Kunst, das Religiöse in der Sprache des Volkes sagbar
zu machen, ohne dass eines das andere in seiner Eigenständigkeit
verletzt.
Jungmairs Liebe zum Mittelhochdeutschen, schon in Steyr
geweckt und gefördert, findet ihren künstlerischen Niederschlag
in der Dramatisierung der ersten Dorfgeschichte der
deutschen Literatur, des„Meier Helmbrecht” von Wernher
dem Gärtner. Unser Dichter nennt dieses packende Volksstück,
in den Versen des mittelhochdeutschen Originals abgefasst
und in unsere Mundart übertragen,„Das Spiel vom
Helmbrechtmoar”. Es erlebte über 60 begeistert aufgenommene
Aufführungen.
50 volkstümliche Lieder und Sprüche Walthers von der
Vogelweide, in die oberösterreichische Mundart gesetzt,
fasst Jungmair in dem Bande„Unta da Lind’n” (1964)
zusammen. Auch hier ist es ihm gelungen, Inhalt, Sprache
und Metrik des Vogelweiders vollendet zu übertragen, was
zahlreiche begeisterte Stimmen der fachlichen Germanistik
hervorheben.
„Stille Nacht”, ein Spiel von der Entstehung des Weihnachtsliedes,
hat in seiner Einfachheit viele Zuhörer ergriffen,
sei es bei festlichen Anlässen oder ausgestrahlt durch
den Linzer Sender, wo es von Liedern der Wiener Sängerknaben
umrahmt wurde. In Jungmairs hochdeutschen
Versdichtungen finden wir so manche Perle. Hier seien vor
allem genannt der Brucknerzyklus„Non confundar”, eine
großartige sprachliche Nachempfindung der Bruckner´schen
Klangwelt, dargebracht 1936 als Jahresgabe des
Badischen Brucknerbundes in Karlsruhe.„Deutsche
Klangwelt” nennt Jungmair seine Apotheose über die deutschen
Meister der Tonkunst, und es gelingt ihm hier, Wesen
und Werk von Bach, Mozart, Schubert, Beethoven und
Bruckner in knappe dichterische Formen zu bannen und
nachzuempfinden.
Unbestritten ist die Kunst der sprachlichen Erfassung, wie
Ernst Burgstaller sagt,„jeder Einzelheit kreatürlicher Formen”
in den schriftdeutschen Versen„Die Sprache des toten
Antlitzes” (vor den Totenmasken Adalbert Stifters und
Anton Bruckners).
„Das Traumlied Olaf Aastesons”, ein Skaldenlied aus dem
13. Jahrhundert, dem Altnorwegischen nachgedichtet, ist bereits in
seiner Bedeutung erkannt worden. Felix Braun hat es in
seine berühmte Sammlung„Die Lyra des Orpheus” aufgenommen.
Der Rundfunk hat es wiederholt ausgestrahlt.
Abschließend möchte ich noch über den Forscher und Wissenschafter
Jungmair sprechen. Wir weisen aus der Fülle der
Veröffentlichungen vor allem auf die Anton-von-Spaun-
Forschung und auf die landeskundlichen Schriften hin.
Jungmair hat sich ferner mit Arbeiten über bildende Künstler,
Dichter und Schriftsteller, über Volksbildner und Heimatforscher,
über heimatliche Komponisten und Mundartdichter Verdienste
erworben, die nicht hoch genug hervorgehoben werden
können. Es ist uns in diesem Rahmen nur möglich, einzelne Abschnitte
und Namen herauszugreifen. Bildende Künstler: Adler,
Dachauer, Diller, Hayd, Reisenbichler, Weidinger, Schwind,
Furthner. Dichter und Schriftsteller: Billinger, Fischer-Colbrie,
Kemstock, Keim, Rosegger, Lienhard, Hieß, Wilk, Watzinger,
Ginzkey, Spann-Reinsch. Mundartdichter: Schosser, Misson,
Bacher, Goldbacher, Mayer-Freinberg, Stelzhamer, Hanrieder.
Stifterforscher: Hüller, Hein und Wilhelm. Weit über die
Grenzen unseres Landes aber reicht seine umfassende Arbeit auf
dem Gebiete der Stifter-Forschung.
Was Professor Jungmair in der Stifter-Forschung geleistet hat,
wäre, allein genommen, schon ein beachtliches Lebenswerk.
Seine Mitarbeit an der historisch-kritischen Prager Gesamtausgabe
der Werke Stifters ist in dem Dankeswort des Herausgebers,
Gustav Wilhelm, für immer festgehalten und gewürdigt.
Jungmair brachte hierzu die Auswertung der oberösterreichischen
Archive für die letzten Bände von Stifters Briefwechsel,
kulturpolitischen Schriften im XIV. und die pädagogischen
Schriften im XVI. Band, ferner Berichtigungen und
Ergänzungen zu den Briefbänden IV im Bd. XXII.
Jungmair entdeckte die Fälschungen in Stifters Malererbe; er
meisterte die schwierige Aufgabe der ersten zeitlichen Reihung
der Gemälde Stifters, außerdem leitete er die Aufstellung
der Stifter-Gemäldesammlung in der„Albertina" Wien.
Es war von den ersten Stifter-Arbeiten an Jungmairs Bestreben,
aus den Linzer Archiven die vielfach noch unerforschten
biographischen Quellen zu erschließen, um verlässliche
Grundlagen zu schaffen, über die auch phantasiereiche,
abwegige Deutungen nicht hinwegkommen können.
Ein unvergängliches Verdienst erwarb sich Jungmair durch
die Bearbeitung der ersten, 1903 erschienenen Stifter-Biographie
von Alois Raimund Mein, die von ihm in der 1952
herausgebrachten zweibändigen Neuauflage ergänzt und aus
der Wirrnis der Fehlmeinungen auf den neuesten Stand der
Forschung gebracht wurde. Neben anderen Geistesgrößen
haben keine Geringeren als Hermann Hesse, Thomas Mann
und Albert Schweitzer ihrer Begeisterung über diese Tat in
Dankesbriefen Ausdruck verliehen. Mit seinen Arbeiten, von
denen hier nur„Adalbert Stifters Wirksamkeit im Oö. Landesmuseum”,
„Adalbert Stifters Wirksamkeit im Oö. Kunstverein”, ferner
„Adalbert Stifter und die Gründung der Oö. Landesgalerie”
genannt seien, hat Jungmair einen bislang wenig beachteten
Teil von Stifters umfassender Arbeit in Oberösterreich in
das Licht der Forschung gerückt.
In dem groß angelegten Aufsatz„Adalbert Stifters Freundeskreis
in Linz” lässt er das geistige Milieu des Dichters in dessen
Wahlheimat wiedererstehen.
Die Broschüre„Adalbert Stifters Linzer Wohnung” ist eine
wichtige kultur- und literarhistorische Dokumentation, bis
zu deren Erscheinen nicht bekannt war, welche Wohnung
in dem Hause Untere Donaulände 1313 tatsächlich die
Bleibe unseres Dichters war.
Ein unentbehrlicher, verlässlicher Wegweiser für jeden, der
sich mit der Wirksamkeit Stifters als Dichter, Pädagoge,
Denkmalpfleger, Maler, Kunstkritiker, politischer Schriftsteller,
und darüber hinaus mit der Kulturgeschichte von
Linz in der Mitte des vorigen Jahrhunderts beschäftigt, ist
auch das Buch„Adalbert Stifters Linzer Jahre”, das als
Standardwerk der Stifterforschung bezeichnet werden kann.
Ein großes Anliegen war und ist unserem Jubilar die
denkmalpflegerische Tätigkeit Stifters, über die, wie bereits
eingangs erwähnt, ein großes Werk in Vorbereitung ist.*
Dass heute Stifter auch als Pädagoge eine Würdigung findet,
ist zunächst auf die Vorarbeiten Otto Jungmairs zurückzuführen.
Seine Schrift„Adalbert Stifter und die Schulreform in
Oberösterreich nach 1848” ist eine bahnbrechende
Arbeit zur Erhellung der Bedeutung Stifters als
Schulmann, darüber hinaus eine unentbehrliche Grundlage
für die Geschichte der Pädagogik unseres Landes.
Mit der Stifter-Forschung verbunden und über sie hinausreichend,
laufen die Arbeiten über Anton von Spaun und
daneben über das oberösterreichische Kunstleben im neunzehnten
Jahrhundert in einer erstmaligen Überschau.
Jungmair hat zahlreichen Studenten, Verlagen und Forschern
zu jeder Zeit geholfen, und er tut es bis heute. Seine
auf oft mühevollem Quellenstudium fußenden Erkenntnisse
stellt er jedem, besonders aber dem Stifter-Institut
Linz, uneigennützig zur Verfügung. Die Forschung benutzt
seine Arbeiten oft und gerne. Es macht ihm auch nichts
aus, wenn sich da und dort einer mit Jungmairs Federn
schmückt, ohne die Quellen anzugeben. Er ist immer da,
wenn er gebraucht wird, immer der Sache, der Forschung
zugetan und aus innerer Berufung verpflichtet.
Es ist eine reiche Ernte, die du, verehrter Herr Professor,
eingebracht hast. Deine Gaben an die Umwelt sind groß;
was du empfangen an irdischen Gütern, ist gering.
Du hast sie auch nie gefordert. Ein schöpferischer Einfall,
ein Gedicht, das dir gelungen, eine Quelle, die du als
Forscher erschließen konntest, hat dir jeweils mehr
Glückseligkeit eingebracht als irgendein irdisches Gut. Da
sind wir nun alle angetreten, um dir heute unsere Herzensbotschaft
zu sagen, aber nicht nur dir, sondern auch deiner
Gattin, die dir überallhin eine treue Begleiterin war und ist.
Ich glaube, abschließend einen Gleichgestimmten reden
lassen zu dürfen. Es ist der Arzt und Dichter Ernst Freiherr
von Feuchtersleben:
Ein Album ist des Menschen reines Leben
Das aufbewahrt in Gottes Händen bleibt.
Ein leeres Blatt wird jeglichem gegeben,
Und jeder ist nur, was er darauf schreibt.
1973, ein Jahr vor dem Tode Jungmairs, erschien sein letztes Buch:
Otto Jungmair, Adalbert Stifter als Denkmatpfleger,
Schriftenreihe des Adalbert-Stifter-Institutes des
Landes Oberösterreich. Herausgeber Dr. phil. Alois Großschopf,
Folge 28, Linz 1973.
* 1969 erschien ein weiterer Gedichtband”Allerhand Kreuzköpf aus’n Landl".
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